Gewiß gibt es seit der Aufklärung und auch nach Nietzsche und Dawkins eine ganze Reihe hervorragender religionskritischer Werke. Setzt man diese aber einmal rein zahlenmäßig ins Verhältnis zu dem unübersehbaren Wust religiöser, esoterischer, spiritueller, theologischer, erbaulich-frommer und frömmelnder Literatur, so ist jedes Buch mehr, das einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung verpflichtet ist, ein Gewinn. Und dieses Buch ist ein besonderer Gewinn:
Lehnert erläutert in überschaubarem Umfang und für den Laien verständlich die philosphischen und vor allem naturwissenschaftlichen Grundlagen einer atheistischen oder agnostischen Weltsicht, und das auf sehr präzise, populäre aber dabei keineswegs simplifizierende Weise. Aktuelle Theorien der Astro- und Quantenphysik fließen dabei ebenso ein wie die neueren Erkenntnisse der Evolutionsbiologie und der Hirnforschung. Allein damit gelingt ihm der Nachweis, dass Atheismus/Agnostizismus eben mehr ist als nur eine andere Art Glaube.
Im Kap. VI schreibt Lehnert über einen seiner Lehrer: Frei von polemischen und aggressiven Attacken, in geschliffener Sprache und gestützt auf ein umfangreiches philosophisches, theologisches und kulturgeschichtliches Wissen entwickelte Szczesny seine Position als Nichtchrist. Und genau dieser Diktion bleibt Lehnert treu, wenn er sich im zweiten Teil des Buches anhand des nicht ganz einfachen Problems der Willensfreiheit, der Frage von christlicher Moral und menschlicher Ethik, des Inhalts der Bibel sowie der Geschichte des Christentums direkt mit Kirche, Religion und Glauben auseinandersetzt: unaufgeregt aber redlich und konsequent im Denken, gelassen aber kompromißlos im Urteil.
Doch Lehnert läßt es nicht bei der Kritik bewenden. In den beiden letzten Kapiteln entwirft er ein zum religiösen alternatives Welt- und Menschenbild und skizziert ein evolutionär-humanistisches Herangehen an den Sinn des Lebens.
Der Leser ahnt im Verlauf der Lektüre, welch gewaltiger Schatz an Wissen, Lebenserfahrung und ‑weisheit des Autors dem Werk zugrunde liegt. Es sei dem Suchenden oder dem zweifelnd Gläubigen ebenso empfohlen wie dem überzeugten Atheisten, der nach Argumenten für die geistige Auseinandersetzung fahndet. Es sei Pflichtlektüre für Lebenskundelehrer ebenso wie für Katecheten!